YOU’s Letter 01/18: Weisheit

Wie kann ich mir Jugendlichkeit bewahren und Weisheit gewinnen? Oder hat das eine mit dem anderen zu tun? Weisheit - Die Frucht echter Verwandlung.

Mutig durch offene Türen gehen, um weise zu werden


Liebe wertvolle Menschen,

vor einiger Zeit traf ich eine ältere Dame, die mit ihren fast 90 Jahren noch sehr jung wirkte. Auf meine Frage, was ihr Geheimnis sei, sagte sie: „Dankbarkeit und Disziplin“ – ich hielt ein und dachte: „Das ist weise.“

Zu Beginn des neuen Jahres beschäftigt mich die Frage nach der Weisheit. Nun bin ich erst 51 Jahre alt und ich frage mich, bin auch ich auf dem Weg wirklich weise zu werden? Wie kann ich mir Jugendlichkeit bewahren und Weisheit gewinnen? Oder hat das eine mit dem anderen zu tun? Ich lade Sie in diesem YOU´s Letter ein, mit mir gemeinsam diesem Geheimnis näher zu kommen.

Ihre Ellen Buttgereit


Lebenswertes

Ein See lädt ein Gedanken zur Weisheit freien Lauf zu lassen.

Begegnung mit der Weisheit.

Mein Bild von Weisheit.

Wenn ich an Weisheit denke, entsteht in mir ein Bild von einem alten, gütig lächelnden Menschen. Seine Augen leuchten, sind hell wach und strahlen Jugendlichkeit aus. Er ist alt, aber schön. Echte Schönheit kommt von Innen. Die Lebenserfahrung hat ihn geläutert – er drängt sich nicht auf und hat aus seinem tiefsten Inneren eine Ausstrahlung, die ihn bemerkenswert sichtbar macht.

Hören und präsent sein.

Vielleicht spüren wir ein Charisma der Gelassenheit, welches den Raum erfüllt. Im Gespräch mit Menschen, scheint dem Weisen das Hören wichtiger zu sein als das Reden.
Er scheint etwas zu Wissen, was auf Erfahrung aufbaut. Es geht nicht um Vielwisserei, die sich aufdrängt, sondern darum zur rechten Zeit das Wesentliche zu sagen. Auf Fragen antwortet er besonnen und konkret – vielleicht sogar mit einer kurzen Geschichte aus seinem Leben, wo ich als Zuhörer selbst heraushören kann, was mir in meinem Leben zur Zeit wichtig erscheint.
Geduldig hört er zu und zeigt mir dadurch seine Wertschätzung.
Vielleicht kann er sogar mit mir weinen, da er einfach versteht.

Demut, Güte und Freundlichkeit.

Freundlichkeit ist seine Zier. Verzeihen beruht auf der Erfahrung selbst viele Fehler gemacht und Grenzen gespürt zu haben. Lachen mit Kindern, sein wie ein Kind und über sich selbst lachen können, machen ihn so symphatisch, dass ich mich gern in seiner Nähe aufhalte.
Verständnis und Güte wirken attraktiv, so dass er ein gern gesehener Gast ist.

Ganz in sich selbst ruhen.

Er braucht allerdings auch Zeit für sich. Diese gesunde Abgrenzung braucht er für Kontemplation und für die Begegnung mit dem göttlichen Anteil in ihm. Hier erkennt er sich selbst und so ruht er in sich selbst. Er weiss, daß er von äußeren Anteilen seiner selbst los sein muss, um der zu sein, der er in Gottes Augen ist – ein weiser Mensch.


Lesenswertes

Wesentliche Impulse, um Quellen der Weisheit zu finden.

Weisheit für Vielbeschäftigte.

Immer schneller, immer besser, immer mehr – der Druck, der auf vielen Menschen lastet, nimmt ständig zu. Verlässliche Orientierungsmarken im persönlichen Leben ebenso wie in Beruf und Gesellschaft scheinen zugleich Mangelware.
Einfache Rezepte versprechen verführerische Instant-Lösungen, die sich bei näherem Hinsehen oft als leere Blasen entpuppen.

Könnte es sein, dass wir bei all unseren Fragen und Herausforderungen, auf unserer Jagd nach noch mehr Wissen und in unserer Sehnsucht nach Halt im Grunde nach Weisheit suchen? Wolfgang Vorländer hat sich auf den Weg gemacht dies herauszufinden. 

Wolfgang Vorländer, geb. 1952 Evangelischer Pfarrer, Wirtschaftsmediator und Coach


Bemerkenswertes

Die Stufen zur Weisheit.

Wie wird der Mensch zu einem weisen Menschen?

Ich glaube die Frucht der Weisheit hat mit Verwandlung, mit Entwicklung von Klarheit im Denken und Herzensgüte bzw. Charakterbildung zu tun.

Im Zentrum der Verwandlung steht die Wahrheit. Sie ist die Liebe und Schöpferkraft unseres Seins, welche zum Ziel hat das tiefste gedachte Wesen in uns frei zu legen. Das Wesen geliebt zu sein und in ewiger Verbundenheit mit dem universellen Sein – mit dem Göttlichen – zu stehen.

Diese Wahrheit ist mit dem Vertrauen verbunden, dass, wenn wir loslassen, wer wir zu sein glauben, wir werden können, wer wir wirklich sind.

Das ist der eigentliche Sinn im Leben – zu lieben und sich von der bedingungslosen Liebe erkennen zu lassen. Denn diese Liebe ist immer da, nur wir selbst behindern uns oft in diese einzutauchen.

Stufen der Weisheit nacheinander gehen
Diese Verwandlung können wir in 3 Stufen unterteilen. Doch die 3. Stufe der Weisheit, ist nur erreichbar, wenn wir die 1. und 2. Stufe durchlebt und in Akzeptanz erfahren haben.

Die erste Stufe angetrieben vom „Noch-Nicht“ 
Die 1. Stufe ist beschreibbar nach einer alten hinduistischen Lehre mit dem Bild des „Schülers und des Hausbauers“.
Unsere erste Lebenshälfte ist geprägt von Lernen und Aufbau. Wir lernen nie soviel wie in den ersten Lebensjahren. Wir streben nach Wissen, Anerkennung, Karriere, Sicherheit. Wir wollen unserem Leben eine Struktur geben und das Gefühl haben, es kontrollieren zu können. Was treibt uns an? Das „Noch nicht“ – wir haben Ziele, wir streben nach „Besserem“.

Viele spirituelle Lehrer sprechen davon, dass so das EGO gebildet wird.
Es sucht eine äußere Stabilität und vergleicht sich mit anderen. Höher, schneller- weiter. 
Das EGO glaubt alles beherrschen zu können.
Im Extremfall glaubt es niemanden zu brauchen.

Im Zitat von Martin Schleske aus seinem Buch „Der Klang“ sehen wir die Gefahr die darin steckt:

„Das bloße Ich Sein ist die Entscheidung, in sich selbst zu verarmen……
Die Armut an Lebenssinn wird zur Gier nach Lebensmitteln.
Die Armut an Gewissheit wird zur Gier nach Sicherheit.
Armut an Vollmacht wird zur Gier nach Macht.
Armut an Anerkennung wird zur Gier nach Beifall.“

Die zweite Stufe geprägt vom Loslassen des Alten und Suchen nach Neuem
Die 2. Stufe des „Suchers“ beginnt, wenn der Mensch erkannt hat, dass ihm das EGO nicht die Erfüllung bringt. Er wird bereit, seine Grenzen zu akzeptieren und macht sich auf die Suche nach einem tieferen Sinn im Leben.
Er nimmt dann oft eine Auszeit. Er ist bereit Kontrolle abzugeben und aus der Akzeptanz der eigenen Grenzen das Vertrauen zu lernen.Hier stellen Menschen sich Fragen – stellen ihr bisheriges Leben in Frage, stellen sich selbst in Frage – Kann das alles im Leben gewesen sein? War es das? Da muss es doch mehr geben?!

Auslöser sind Grenzerfahrungen – es geht nicht mehr weiter – die eigene menschliche Gestaltungskraft wird an Grenzen geführt durch Leid, Krankheit, Verlust eines Arbeitsplatzes, Verlust eines Menschen. Statt sich zu betäuben, stellt der „Sucher“ sich den neuen Lebensfragen.

Der Sucher ist bereit in die Tiefe zu gehen – Altes loszulassen, um Neues zu finden. Er taucht ein in ein Denken des „Nicht Mehr“. Das brauche ich nicht mehr – davon will ich mich verabschieden – Innerlich wie Äußerlich. Er findet den Weg vom Tun zum Lassen. Vielleicht ist er auch bereit sich von Gott finden zu lassen, um Gottes Ruf zu hören, seine Berufung zu finden. Er fragt nach dem Sinn, nach dem „Wozu“ in seinem Leben.

Wozu war das Erlebte gut? Im Guten wie im Leidvollen?
Was will mir das Leben sagen? Was will Gott mir sagen?
Was kann ich loslassen und vergeben?

Die dritte Stufe der Weisheit strahlt Gelassenheit aus

Nur durch den „Sucher“ ist die Stufe der Weisheit zu erreichen. 
Die 3. Stufe des „Weisen“ ist von Dankbarkeit, Akzeptanz, Freiheit von sich selbst geprägt. Dem Weisen gelingt es zu sein. Diese Freiheit wird auch in der Spiritualität als „Erleuchtung“ bezeichnet. Das Leben wird aus einem neuen Blickwinkel betrachtet. Alles dient ihm zum Guten aus Vertrauen heraus, daß er eher weniger als mehr braucht, um erfüllt zu leben. Das „Nicht mehr“ bestimmt nun die weise Lebenshaltung.

Achtsamkeit und Geduld stammen einem tiefen inneren, erfahrenen Wissen.
Weisheit ist somit „Durch die Taufe des Lebens“ gegangen, wie Wolfgang Vorländer in seinem Buch „Weisheit für Vielbeschäftigte“ es nennt..
Er schreibt dazu weiter: 
„Weisheit hat immer damit zu tun, dass man etwas erlebt hat und darüber gleichsam    erwacht ist. Erwacht aus Naivität und Illusion, aus Idealisierungen oder unguten Vereinfachungen, aus jeder falschen „Gläubigkeit“ und „Hörigkeit“, aus dem Gleichschritt der Herde und den Lieblingsmelodien des Zeitgeistes. Diese „Erwachen“ wird in der östlichen Spiritualität als „Bewusstheit“ – bzw. „Bewusstwerdung“ beschrieben und zum Ziel des Lebens überhaupt erklärt.“


Wissenswertes

Erfahrenes Wissen hinterlässt Spuren.

Wissen und Weisheit.

Weisheit bezeichnete jemand einmal als Reichtum des einfachen Volkes.
Das ist der Versuch zu beschreiben, dass Weisheit nichts mit Wissen zu tun hat. Wissen und Bildung war dem „einfachen Volk“ vor dem 20. Jahrhundert nur schwer zugänglich. Doch Weisheit fand man ebenso beim „ungelehrten Volk“.
Das Märchen „Die Bienenkönigin“ der Gebrüder Grimm beschreibt sehr schön die Wesenszüge der Weisheit, die im Handeln der Figur des „Dummlings“ sichtbar werden. (zum Reinhören siehe Hörenswertes)

Alles Wissen, rationales Denken und Logik scheint auf den ersten Blick erstrebenswert zu sein.
Doch in unserer modernen Welt ist dies meist „erfahrungsfreies Wissen“, welches Entscheidungen im Leben nicht unbedingt leichter machen, denn für gute Entscheidungen brauchen wir Erfahrungen.
Hier ist ein grundsätzlicher Unterschied zur Weisheit.

Weisheit ist ganzheitliches, oft intuitives Erfahrungswissen, also integrierte Erfahrung.
Weisheit hat mit einem Reifungsprozess zu tun. So wie das Reisen den Erfahrungshorizont erweitert, ermöglichen Erfahrungen und Ausprobieren ein weises erspüren von Wesentlichem.
Wenn Menschen glauben durch kognitive Wissensaneignung weise zu werden und glauben sich deshalb über andere erheben zu können, sind sie nicht weise.
Denn ein wesentliches Merkmal der Weisheit ist Demut und eine suchende, fragende Offenheit dem Leben und anderen Menschen gegenüber in dem tiefen Bewusstsein, dass alles Erschaffene in der Welt miteinander verbunden ist.

Viele spirituelle Lehrer vermitteln, dass echte Weisheit mit Liebe, Hingabe und Dankbarkeit zu tun hat.
Weisheit lebt aus der Akzeptanz jeglicher Erfahrung, verlangsamt und bringt Entschleunigung. Bernd Guggenberger beschreibt in seinem Buch “Das Menschenrecht auf Irrtum – Anleitung zur Unvollkommenheit“ , die Gefahr, wenn wir zu sehr auf Wissen statt auf Weisheit bauen, folgendermaßen:

„Erfahrungsfreies Wissen wächst mit atemberaubender Geschwindigkeit … die absolute Mehrzahl der Menschen lebt in einer Welt, die von erfahrungsfreiem Wissen bestimmt wird … Da wir es nicht beherrschen können, müssen wir fürchten, dass es uns beherrscht.“

Die Informationstechnologie hat uns vielleicht Wissen voraus und Angst scheint berechtigt zu sein, dass wir die intelligenten, selbstlernenden Systeme nicht mehr beherrschen. Doch der Mensch kann weise werden durch den einzigartigen, seelischen Zugang des Menschen zu Liebe und Erfahrung.
Das sollte uns den Wunsch nach Weisheit erstrebenswert machen.


Hörenswertes

Das Märchen hören.

Die Bienenkönigin – Ein Märchen der Gebrüder Grimm.

Gelesen von Elster Silbenklang

Märchen dienen uns oft als überlieferte Weisheiten, um aus Erfahrungen der Märchengestalten zu lernen – weit mehr, als wenn wir nur Wissen erwerben.

Märchen und Erzählungen sind Perlen der Weisheit, die wir suchen dürfen.

Nehmen Sie sich 5 Minuten, hören Sie zu und werden Sie wieder zum Kind. So ermöglichen Sie sich mit Leichtigkeit eine weitere kleine Stufe zur Weisheit zu gehen.


Liebenswertes

Weisheit wird in den Geist hineingeweht

Weisheit und Spiritualität

„Alles durchdringst Du
die Höhen und die Tiefen
und jeglichen Abgrund.
Du bauest und bindest alles.
Du auch führest den Geist,
der Deine Lehre trinkt ins Weite.
Wehest Weisheit in ihn
und mit der Weisheit Freude.“

Hildegard von Bingen